Bonifatius und sein Weg

Bonifatius, von friesischen Räubern am 05. Juni 754 bei Dokkum ermordert, sah sich als Werkzeug des Himmels. Der konnte im wahrsten Sinne schlagfertig sein, wenn es um einen Beweis für Gottes Macht ging. Das dokumentiert eine Tat, die den Missionar berühmt gemacht hat: Im Jahr 723 fällte er bei Geismar (Nähe Fritzlar) spektakulär eine dem germanischen Gott Donar geweihte Eiche. Das Holz verwendete Bonifatius für eine kleine Kirche, die er dem heiligen Petrus weihte und aus der sich das Fritzlarer Kloster entwickelte. Er gründete unter anderem auch die Klöster Amöneburg, Ohrdruf und Fulda. Solche Zellen des Glaubens spielten als Basisorte für die Verkündigung damals eine entscheidende Rolle – und im Leben dieses Mönches sowieso.

Der Junge mit dem Taufnamen Wynfreth (Winfried), um 675 wohl in Credition im Südwesten Englands geboren, war siebenjährig als „purer oblatus“ dem Kloster Exter übergeben worden – eine damals durchaus übliche Praxis. Er wuchs in das geistliche Leben nach der Regel des Hl. Benedikt gut hinein. Die strengen Maßstäbe der frommen Gemeinschaft im Sinne des „Ora et labora“ (Bete und arbeite) erfüllte Wynfreth-Bonifatius offensichtliche mit Freude. Begeistert las und studierte er die Bibel, zeigte große Wissbegier, was die Theologie und andere Bildungsschwerpunkte betraf. Später wechselte er in das Kloster Nursling, in dem er seinen wissenschaftlichen Hunger besser stillen konnte. Dort entwickelte sich der junge Mönch zum hoch geschätzten Priester, Prediger und Glaubenslehrer. Für kurze Zeit wurde er Abt von Nursling, doch eine große Leidenschaft für die Mission trieb ihn auf den Kontinent. Er war beseelt davon, Christus denjenigen zu bringen, die ihn noch nicht oder nur unzureichend kannten. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch wieder heimgekehrt, verließ Bonifatius im Herbst 718 als über 40-jähriger England für immer. Fast vier Dekaden aufreibenden Einsatzes für Gott, Menschen und Kirche sollten in der Fremde vor ihm liegen.

Ein Bethlehem für Europa

Crediton – malerisch gelegen inmitten der sanften Hügellandschaft von Mid-Devon – ist ein Ausgangspunkt im doppelten und besten Sinne. Dunkles Mittelalter herrschte im 7. Jahrhundert n. Chr. in der ländlichen Region, als – der Überlieferung nach – um 675 in Crediton ein Mann geboren wurde, der die Enwicklung eines ganzen Kontinentes nachhaltig beeinflussen sollte: Winfried, besser bekannt als der heilige Bonifatius. 

Weit über 1250 Jahre später findet man noch viele Spuren und etliche Hinweise auf den größten Sohn des Städtchens, das damit als „Geburtsort“ eine ähnliche Bedeutung für die Entwicklung Europas hat wie Bethlehem für das Christentum und für die ganze Welt.

In Crediton hat der heilige Bonifatius seinen festen Platz im Stadtbild und in den Herzen der Menschen.

Von Kelten zu Europäern in der Gegenwart

Nur ein Katzensprung trennt Credition, den Geburtsort des Bonifatius, von Exeter. Exeter war seit seiner Gründung durch die Römer eine Brücke zwischen Meer und Land. Diese Charakteristik spürt man vor allem rund um den alten Hafen mit seinen gemütlichen Cafés, urigen Kneipen und Hinweisen auf eine bewegte maritime Vergangenheit. Heutige Besucher können sich gut vorstellen, dass auch der junge Wynfreth von diesem Ort, der sein Leben prägen sollte, sofort begeistert und spirituell zutiefst berührt war. 

Über 1300 Jahre sind seit Bonifatius vergangen. Ebenso wie viele Städte im Süden Englands kann auch Exeter auf eine wechselvolle Geschickte zurückblicken, deren steinerne Zeugen überall zu finden sind. Auch Forschung und Lehre haben nach wie vor ihren festen Platz in Exeter. Die Universität im Herzen der Stadt ist zwar nicht mehr Teil des Klosters, aber die Nähe zum 1050 erstmals urkundlich erwähnten Bischofssitz schafft immer noch eine Verbindung zu den Ereignissen rund um den Novizen Wynfreth aus Crediton.

Leben und Lernen im Kloster

Ebenso wie die heutigen Studenten war auch der junge Wynfreth fasziniert vom Gedanken, über das Wissen zur Erkenntnis zu gelangen. Freilich darf man sich das Studium in einer mittelalterlichen Klosterschule nicht so vorstellen, wie wir es von heutigen Universitäten kennen. Gemäß dem benediktinischen Grundsatz „ora et labora“ war der Unterricht nur ein kleiner Bestandteil der Gesamtausbildung und eingefügt in die Routine des klösterlichen Lebens. Schwerpunkte bildeten das Erlernen der lateinischen Sprache und das Studium der Heiligen Schrift.

Der Funke aus der Nussschale

Seltsam ist es schon, ein Kloster „Nutscelle“ (übersetzt: Nussschale) zu nennen, aber es muss wohl etwas mit seiner Geschichte zu tun haben, die im 7. Jahrhundert begann. Das Kloster errang eine hervorragende Stellung unter den Abteien Südenglands. Seinem Ruf folgte auch der junge Winfried aus Crediton, der hier eine umfassende Bildung erhielt. Er studierte Geschichte, Rhetorik und Metrik und verfasste die erste lateinische Grammatik in England. Im Alter von 30 wurde er hier zum Priester geweiht und wirkte mehrere Jahre als Lehrer, bis der 40-jährige, mittlerweile Abt geworden, das Kloster für immer verließ. Das Ende der Abtei kam im Jahre 878, als plündernde Dänen es zerstörten, heute liegt an Stelle des Klosters die Ortschaft Nursling.

2000 Jahre turbulente Geschichte

Nur sechs Meilen sind es von Nursling bis ins Zentrum von Southhampton. Die Hafenstadt hat eine fast 2000-jährige, mitunter turbulente Geschichte. Von den Römern im Jahre 70 als Clausentum gegründet, nach deren Abzug aufgegeben und von den Angelsachsen 960 unter dem Namen Hamtun wieder aufgetaucht, überstand sie die Attacken der Wikinger, die normannische Eroberung, den französischen Überfall 1338 und die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg. Southampton war lange Zeit der wichtigste Hafen für den transatlantischen Personenverkehr und Sitz der White Star Line. Hier begann auch die tragische Fahrt der Titanic.

Zu neuen Ufern

Nach dem letzten gemeinsamen Frühstück verließen Abt Winfried und seine Begleiter Nutscelle. Sie hatten bis zur Küste mehr als einen Tag Fußmarsch vor sich. Der Abschied war nicht leicht gefallen. Alle Mitbrüder hatten bis zuletzt gehofft, ihr verehrter Abt würde bei ihnen bleiben. Aber Winfried brannte vor Eifer, seine bereits in Friesland begonnene Mission wieder aufzunehmen. Diesmal, mit dem Seegen des heiligen Vaters, konnte ihn nichts aufhalten. Als die Reisenden die Küste erreichten, war es bereits später Vormittag. Die Flut begann schon zu steigen. Die Fischer waren von ihrem Fang zurückgekehrt und hatten ihre Beute an Land ausgebreitet. Im Hafen ließ Winfried nach Osric dem Einäugigen Ausschau halten, mit dessen Boot er übersetzen wollte. Er kannte den alten Halunken schon von früheren Reisen und wusste, dass man sich bei ihm in besten Händen befand. Es war eine sehr stürmische und turbulente Überfahrt. Sie sammelten ihre Kräfte und brachen am nächsten Tag in Richtung Rouen auf.

Rouen, das Tor zur Normandie

Die viertgrößte Hafenstadt Frankreichs wurde bereits im 1. Jahrhundert als Rotomagnus von den Römern gegründet und ist seit 393 Bischofssitz. Ihre Bedeutung verdant sie der Kreuzung von Land-und Wasserwegen. Nach der Eroberung durch die Wikinger wurde sie Hauptstadt des Normannenreiches. Wilhelm der Eroberer führte von hier aus seinen Invsasionszug gegen England und Irland. Traurige Berühmtheit erlangte Rouen im Jahr 1431, als hier JOhanna von Orléans hingerichtet wurde.

Ein anderes Bild des Missionars

Dokkums Beziehung zu Bonifatius muss geschichtlich bedingt getrübt sein. Wie geht eine Stadt damit um, dass in ihrer Nähe diese große Persönlichkeit von friesischen Räubern ermordet worden ist? Die Frage stellt sich den Besuchern, auch wenn die Bluttat anno 754 inzwischen mehr als verjährt ist. Eine leise, aber beachtliche Antwort bekommt man am Markt der Stadt beim Betrachten des modernen Kunstwerks „Das Märtyerfeld“. Auf einer Fläche mit blutrot blühenden Pflanzen haben Tilly Buij und Gerard Groenewoud bronzene Buchkörper verteilt, mehr oder weniger lädiert. Damit erinnern die Künstler an die Überlieferung, wonach der Leichnam des Heiligen umgeben von Büchern gefunden wurde. Barbaren, so die Botschaft der beiden Kreativen, erkennt man schon an ihrer Gewalt gegen Bücher.

Gipfeltreffen im Bischofshaus

Viele denken bei Mainz nicht nur an den romanischen Dom, den Rhein, den Wein und an die Fastnacht, sondern auch an drei Persönlichkeiten, deren Namen mit dieser Stadt verbunden sind:

  • Winfried-Bonifatius, geboren um 675 im angelsächsischen Crediton, Missionar und Erzbischof, reiste nie ohne seine Bücher.
  • Johannes Gutenberg, eigentlich J. Gensfleisch zur Laden, geboren um 1400 in Mainz, Buchdrucker, erfand den Buchdruck
  • Karl Lehmann, geboren 1936 in Sigmaringen, Kardinal, seit 1983 Mainzer Bischof, besitzt über 40.000 Bücher


 

Das erste Benediktinerkloster in Hessen

Bonifatius traf 721 in Amöneburg auf die Vorsteher Dettic und Deorulf, Zwillingsbrüder, die er – wie der Biograph Willibald berichtet – „von ihrem verruchten Götzendienst“ bekehrte. Daraufhin befreite er auch einen großen Teil des Volkes vom heidnischen Aberglauben.

Schließlich sammelte er eine Schar von Mönchen und baute eine Klosterzelle. Sie war auch die Urzelle einer Schule, die noch heute existiert und mehr denn je den guten Ruf von Amöneburg prägt. Bonifatius kam noch einmal im Jahr 732 an diesen Ort und baute eine Kirche. 

Auf dem Platz steht noch heute ein Gotteshaus: die große, im 19. Jahrhundert neu erbaute Stiftskirch St. Johann. Das Kloster existierte zwar nur bis zum 12. Jahrhundert, doch die zu ihm gehörende Schule hat die Zeiten überdauert. Deshalb ist Amöneburg seit fast 1300 Jahren ein kirchlicher und schulischer Mittelpunkt.

Zeichen setzen – Zeichen leben: Bonifatius und die Stadt Fritzlar

Wir schreiben das Jahr 723. In den dichten Buchwäldern zwischen den heutigen Flüssen Schwalm, Eder und Fulda steigen dichte Morgennebel auf. Leise bahnt sich das Wild seinen Weg durch das Unterholz. Dumpfe Axtschläge hallen durch den Wald und kündigen eine neue Epoche an. Ob der englische Mönch Winfried selbst das Beil schwang, als er die Donareiche fällte, das zentrale religiöse Symbol der Chatten und Ausdruck ihres uralten Götterglaubens, ist nicht völlig sicher. Kein Zweifel besteht jedoch daran, dass Bonifatius mit diesem Zeichen der Erneuerung den Weg für eine Entwicklung geebnet hat, die durch die Jahrhunderte die Grundlage für ein vereinigtes Europa, unser vereinigtes Europa, bilden sollte.

An diesem unscheinbaren Ort in der Mitte von Nirgendwo ließ Winfried 724 aus dem Holz der mächtigen Donareiche eine kleine Kirche erbauen, die zum Mittelpunkt eines neuen kulturellen Lebens werden sollte.  Welch enorme Auswirkung der Aufbau dieses kleinen Benediktinerklosters durch Bonifatius hatte, lässt sich daran ermessen, dass wie durch eine Initialzündung weitere Klostergründungen in unmittelbarer Nähe folgten. Von Fritzlar und von der dort von Abt Wigbert gegründeten Klosterschule aus begaben sich die Mönche Lullus und Sturmius auf eigene Missionsreisen. Hierbei entstand neben dem Benediktinerkloster Hersfeld auch Bonifatius´ spätere Lieblingsabtei Fulda.

Geistige Entwicklung des Abendlandes

Nach über 1250 Jahren steht Sturmius auf dem damaligen Bischofsberg, dem heutigen Frauenberg in Fulda und schaut hinab auf die Fuldische Senke. Der Benediktinermönch gründete 744 im Auftrag von Winfried Bonifatius das Kloster Fulda. Wenn man die Männer nennt, die den Namen Fulda weltwweit manifestiert haben, dann darf als Dritte im Bunde Rabanus Maurus nicht fehlen, dessen berühmte Klosterschule zur Wiege der althochdeutschen Literatur wurde. Diesem Trio ist es zuzuschreiben, dass Fulda vor 1200 Jahren seine erste Blüte erlebte. Bonifatius, Sturmius und Rabanus sind heute nicht nur in der barocken Kulturstadt Fulda gegenwärtig, sondern untrennbar mit der geistigen Entwicklung des Abendlandes verbunden.

Zunkunft aus der Vergangenheit

Da Fulda eine Zukunft hat, die aus der Vergangenheit gespeist wird, ist eine Erinnerung an Rabanus Maurus, den „Lehrer Deutschlands“, unabdingbar. Der Universalgelehrte, der das Kloster zum Intellektuellen Zentrum des ostfränkischen Reiches machte, schuf die Grundlagen für den Unterricht in Kloster-, Dom- und Stiftsschulen, verfasste die 22-bändige Enzyklopädie  „De universo“ und schrieb den bekanntesten Hymnus der abendländischen Liturgie „Veni creator spiritus“. Fulda ist durch die folgenden Jahrhunderte eine Stadt der Bildung und Ausbildung geblieben, besaß von 1734 bis 1805 eine Universität und ist heute ein Zentrum von Schulen, zu denen die Hochschule und Theologische Fakultät zählen. 

Seit 1623 ist das Kloster auf dem Frauenberg ein Franziskanerkloster, unter dem sich das Barockviertel mit Dom, Stadtschloß, Orangerie und Schlossgarten ausbreitet. Der Dom, Grabeskirche von Bonifatius und die Michaelskirche, einst Totenkapelle des Klosters, sind Brücken, die Jahrtausende verbinden. Wo sich heute der zwischen 1704 und 1712 von Johann Dientzenhofer errichtete Prachtbau erhebt, stand einst die gewaltige Ratgar-Basilika (812 bis 819), das größte Gotteshaus nördlich der Alpen. Aus dem frühen 9. Jahrhundert stammt auch die die Michaelskirche.

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